Richtgrößenprüfung

Regressschutz und der Vorrang der Richtgrößenprüfung: Ein aktueller Blick auf die Rechtsprechung

Richtgrößenprüfungen im Fokus:

Definition: Die Richtgrößenprüfung ist eine Methode zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Sie wird von den Krankenkassen durchgeführt, um zu prüfen, ob die Ärzte ihre Leistungen nach den vereinbarten Standards erbringen. Die Richtgrößenprüfung basiert auf den sogenannten Richtgrößen, die von den Krankenkassen und den Ärzten gemeinsam festgelegt werden. Die Richtgrößen sind verbindliche Vorgaben für die Menge und Qualität der Leistungen, die die Ärzte erbringen müssen. Wenn ein Arzt die Richtgrößen nicht erfüllt, kann er von den Krankenkassen sanktioniert werden.

Die Richtgrößenprüfung hat mehrere Ziele:

  • Die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern
  • Die Kosten im Gesundheitswesen senken
  • Die Transparenz im Gesundheitswesen erhöhen

Prolog: In der täglichen Praxis als Arzt begegnen wir einer Vielzahl von Herausforderungen, die weit über die direkte medizinische Versorgung unserer Patienten hinausgehen. Eine dieser Herausforderungen ist das Spannungsfeld zwischen der Wirtschaftlichkeit von Verordnungen und dem optimalen Behandlungserfolg. Insbesondere bei der Verordnung von teuren medizinischen Produkten, wie etwa silberhaltigen Feuchtverbänden, kann es zu Konflikten kommen. Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.8.2022 – L 5 KA 15/21) beleuchtet diese Problematik und verdeutlicht die Wichtigkeit des Regressschutzprogramms.

Kontext: Im vorliegenden Fall wurde gegen eine internistisch-chirurgische Gemeinschaftspraxis ein Verbandskostenregress eingeleitet, basierend auf der Einzelfallprüfung einer speziellen Patientin mit einem offenen, lymphödematösen Bein. Die Behandlung dieser Patientin verursachte zwischen 2012 und 2015 hohe Verbandskosten, insbesondere durch die Verwendung von silberhaltigen Feuchtverbänden und elastischen Binden.

Das Prüfgremium der gesetzlichen Krankenversicherung der Patientin führte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch und stellte dabei fest, dass die Höhe der Ausgaben, trotz Stellungnahme der behandelnden Ärzte, nicht nachvollziehbar und daher unwirtschaftlich war. Daraufhin wurde ein Verbandskostenregress von rund 30.000 € angeordnet.

Die Ärzte legten daraufhin Rechtsmittel ein, und der Fall ging vor das Landessozialgericht.

Entscheidung: Das LSG kam zu dem Schluss, dass eine Einzelfallprüfung der Wirtschaftlichkeit die Richtgrößenprüfung nicht ersetzen kann. Dies gilt auch dann, wenn bei dem betroffenen Vertragsarzt keine Richtgrößenprüfung durchgeführt wurde. Das Gericht betonte, dass die vom Gesetzgeber zum Schutz des Vertragsarztes vorgesehene Toleranzgrenze für sein gesamtes Verordnungsvolumen von Leistungen nach § 31 SGB V nicht unterlaufen werden dürfe. Der Vorrang der Richtgrößenprüfung wurde auch vom Bundessozialgericht (BSG, 11.09.2019 – B 6 KA 21/19 R) bekräftigt.

Praxisanmerkung: Dieses Urteil unterstreicht, dass eine im Einzelfall sehr teure – und damit möglicherweise unwirtschaftliche – Verordnung von Verbandsmitteln dem verordnenden Arzt nicht zum Nachteil gereicht. Die Gesamtverordnungskosten, die die Richtgrößengrenze überschreiten, können zu einer Kürzung der Verbandskosten führen.

Für den niedergelassenen Arzt bedeutet dies, dass es wichtig ist, die Richtgrößengrenze im Blick zu behalten. Diese Grenzen sind in den Heilmittel-Richtgrößenvereinbarungen der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen festgelegt. Einzelne teure Behandlungen sind generell unproblematisch, solange die Richtgrößengrenze nicht überschritten wird. Sollte der Arzt jedoch das Richtgrößten Volumen um mehr als 15 % überschritten haben (und damit auffällig geworden sein), kann er diese Überschreitung u.a. durch Praxisbesonderheiten rechtfertigen.

Als zusätzlicher Schutz gegen mögliche Regressforderungen empfehlen wir, dass Ärzte hinreichend dokumentieren, warum bestimmte (teure) Verbandsmittel medizinisch erforderlich sind. Dies kann geschehen, indem der Arzt in der Dokumentation kurz ausführt, warum andere, preiswertere Verbandsmittel nicht zum Erfolg geführt haben oder nicht vertragen wurden.

Zusammengefasst zeigt dieser Fall, wie wichtig das Regressschutzprogramm ist, um Ärzte vor möglichen Regressforderungen zu schützen. Es unterstreicht die Notwendigkeit, die Richtgrößengrenze im Auge zu behalten und die Entscheidungen für bestimmte Behandlungen und Verordnungen sorgfältig zu dokumentieren. Es ist zu hoffen, dass zukünftige Rechtsprechungen und politische Entscheidungen weiterhin den bestmöglichen Patientenversorgungsauftrag in den Vordergrund stellen und dabei die wirtschaftlichen Belastungen für die behandelnden Ärzte berücksichtigen

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